Die Zwiebel
-ein wahrer Schatz, gut verpackt
erschienen in Holunderelfe 4/24
Sie ist im Zusammenhang mit dem Motto „gut verpackt“ eines unserer großen Vorbilder und liebevoll haben wir nach ihr sogar einen Kleidungsstil benannt: den „Zwiebellook“ aus mehreren Kleidungsschichten wählen wir, wenn das Wetter nicht eindeutig gut oder schlecht ist, sodass wir sie je nach Temperatur an- oder ausziehen können.
Es heißt, die Zwiebel habe sieben Häute. Wenn man die Außenhülle und die feinen Häutchen auf jeder Schicht nicht mitzählt, bestätigt sich das meistens.
Botanik und Herkunft
Sie gehört zur Familie der Zwiebel- oder Lauchgewächse (Alliaceae) und zur Gattung Allium, die etwa 260 Arten umfasst. Ihr Blütenstand entfaltet sich zu einer prachtvollen Kugel aus kleinen weißen sechsstrahligen Blüten, wenn wir sie zum Zug kommen lassen. In der Regel konzentrieren wir uns auf ihr Speicherorgan, das sie unter der Erde ausbildet, eben die Zwiebel. Wir können uns wohl kaum ein Gericht ohne sie vorstellen. Roh und fein gewürfelt gibt sie der Salatsauce den richtigen Pfiff. Gedünstet oder gebraten macht sie fast jedes Gemüse-, Fisch- oder Fleischgerichte vollständig.
Wahrscheinlich ist sie eine der ältesten Kulturpflanzen und kam aus Asien über Griechenland und Rom zu uns. In China und im alten Babylon war sie beliebt als Gewürz- und Gemüsepflanze.
Die altägyptischen Arbeiter bekamen angeblich beim Bau der Pyramiden täglich Zwiebeln, um gesund zu bleiben. Die Ägypter waren überzeugt davon, dass das scharfe Zwiebelaroma sogar Tote wieder zum Leben erwecken könne. Man fand sogar in den Pharaonengräbern Zwiebelreste. Andere Quellen bezeugen, dass die Zwiebel im antiken Griechenland als natürlicher Blutverdünner eingesetzt wurde.
Im frühen Mittelalter spricht Hildegard von Bingen in ihrem Werk „Physika“ nicht sehr wertschätzend von der Zwiebel und empfiehlt sie nur bei Fieber und Gicht als heilend. Doch einige hundert Jahre später bezeichnet der Arzt und Gelehrte Paracelsus sie „so wertvoll wie eine ganze Apotheke“.
Volksheilkunde
Manche Anwendungen, die aus der Volksheilkunde überliefert wurden, kennst Du bestimmt. Für den Hustensirup zum Beispiel lässt Du eine gewürfelte Zwiebel in einem Glas mit Zucker und Honig einige Stunden ziehen und nimmst den Saft, der entsteht, esslöffelweise ein. Er wirkt schleimlösend und antibakteriell. Gegen den Zwiebelgeruch nach Einnahme des Sirups kannst Du frische Petersilie oder Fenchelsamen kauen.
Du kannst auch eine gewürfelte Zwiebel in 2 l Wasser aufkochen und dann die Zwiebeldämpfe inhalieren.
Vielleicht wird in Deiner Familie auch das Zwiebelsäckchen bei Ohrenschmerzen auf das schmerzende Ohr gelegt. Mit einem Stirnband befestigt wirkt es schmerzlindernd und entzündungshemmend.
Zwiebelsocken sind eine weniger bekannte alte Überlieferung (siehe Kasten). Sie bekämpfen Erkältungssymptome, fördern den Stoffwechsel und regulieren die Cholesterinbildung.
Inhaltsstoffe und Heilwirkung
Die Zwiebel überrascht uns mit vielfältigen Inhaltsstoffen.
100 Gramm Zwiebeln enthalten ca. 8 % der empfohlenen Tagesdosis Vitamin C, das antioxidativ wirkt,
4 % der empfohlenen Tagesdosis Vitamin B7, welches das Wachstum von Blutzellen, Haut, Haaren und Nervengewebe fördert,
8% der empfohlenen Tagesdosis Kalium, das für Nerven und Muskeln wichtig ist.
Besonders charakteristisch sind die Schwefelverbindungen, die eine gesunde Darmflora und die Leber unterstützen und entgiftend wirken, z.B. Schwermetalle aus dem Körper lösen können. Diese Schwefelverbindungen haben neben ihrer starken Heilwirkung leider auch eine unbeliebte Eigenschaft: die Reizung der Augen. Eigentlich ist es ein raffinierter Mechanismus, der die Zwiebel in der Natur vor Fressfeinden schützt. Sobald sie also beim Schneiden verletzt wird, kommt das schwefelhaltige Alliin (antiseptisch wirkende Aminosäure in der äußeren Zellschicht) mit dem Enzym Alliinase (im Inneren der Zelle) in Kontakt und es entsteht Allicin, das den typischen Geruch entfaltet und in den Augen brennt. Auch Lauch, Knoblauch und Bärlauch enthalten diese Stoffe.
In den äußeren Ringen, also der Schale, sind wichtige Polyphenole enthalten, so viele wie in kaum einem anderen Lebensmittel.
Bei roten Zwiebeln sind das z.B. das Flavonoid Quercetin und Anthocyan, der rote Farbstoff. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind beispielsweise entzündungshemmend und gefäßschützend. In der Volksheilkunde werden deshalb die Schalen schon lange für stärkende Suppen in Filterbeuteln mitgekocht, was der Suppe zusätzlich eine sehr schöne Farbe verleiht.
Bis heute sind viele positive Wirkungen der Zwiebel entdeckt und bestätigt worden.
Die schwefelhaltigen Stoffe pflegen scheinbar die Zellmembran der roten Blutkörperchen, womit Sauerstoffversorgung und Blutfluss optimiert werden. Außerdem hemmen sie die Blutgerinnung und beugen damit Thrombosen vor. Sie erhalten die Blutgefässe gesund und beugen damit Herz-Kreislauf-Problemen vor. Zusätzlich reduzieren die Schwefelverbindungen den Cholesterinspiegel. Das bereits genannte Quercetin kann den Blutdruck senken und gegen Entzündungen wirken.
Fruktane sind Speicherkohlenhydrate in der Zwiebel und zählen zu Ballaststoffen, haben also verdauungsfördernde Eigenschaften. Sie sind gegen Influenza-A-Viren, also Grippeviren wirksam und steigern auch die Aufnahme von Kalzium und anderen Mineralstoffen. Leider können sie bei manchen Menschen Blähungen und Bauchschmerzen verursachen.
Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass der regelmäßige Genuss von Zwiebeln (etwa ½ Zwiebel pro Tag) Krebs, (Magenkrebs, Krebserkrankungen im Mund- und Rachenraum, Bauchspeicheldrüsenkrebs) vorbeugen kann. Dafür sind wahrscheinlich die Flavonoide verantwortlich.
Diese sorgen zusammen mit den Schwefelverbindungen dafür, dass die Zwiebel hypoglykämisch wirkt, also den Blutzuckerspiegel senkt, was besonders für Diabetiker hilfreich ist.
Auch das Prinzip der Homöopathie lässt sich am Beispiel der Zwiebel sehr gut erklären. Es wird Gleiches mit Gleichem geheilt: Beim Kranken wird das homöopathische Mittel „Allium cepa“ fast ausschließlich zur Behandlung von fließendem und wässrigem Schnupfen eingesetzt. Beim Gesunden stechen die Schwefelverbindungen sofort in die Nase und lassen die Augen triefen, wenn er Zwiebeln schneidet.
Damit sind wir wieder bei den Tränen, die wir gerne akzeptieren bei all den heilenden Eigenschaften der Zwiebel.
Der bedeutende lateinamerikanische Lyriker Pablo Neruda (1904-1973) widmete ihr sogar seine „Ode an die Zwiebel“, in der er sie als „gütige Fee“ bezeichnet, die uns „weinen macht, ohne uns zu betrüben“.